RETROKURT
Ein ROTERKURT-Derivat
// 23. Juni 2013
Not eines Handlungsreisenden: Im Land der Schuldlosen
Solange ich Kind war, habe ich Dinge kaputt gemacht. Spielsachen, Trinkgläser, ein äußerst unglückliches Szenario, welches sich aus einer wackeligen Blumenvase und verbotenem Ballspiel im Kinderzimmer zusammensetzte, führte einst sogar zum Wasserschaden an einem Röhrenfernseher.
Es waren andere Zeiten. Die Spielsachen bestanden noch nicht ausschließlich aus Halbleitern und Kinder allein mussten die Konsequenzen aus von Kindern verursachten materiellen Schäden tragen.
So etwas wie Materialermüdung gab es nicht, nur eine unzureichend ausgeprägte Sensibilität im Umgang mit stoßempfindlichen Gütern, und unter keinen Umständen wären die Eltern aus der Zeit meines Heranwachsens auf die Idee gekommen, uns der Lehren zu berauben, die wir aus den Folgen mangelnder Vorsicht hätten ziehen können, indem sie einem stressgeplagten Handelsvertreter mit geharnischten Anschuldigungen wegen angeblicher Produktions- und Serienmängel den Tag verderben.
Es war eine gute Zeit.
// 22. November 2012
Not eines Handlungsreisenden: Die zehn Wege zu einem reibungslosen Gesprächsverlauf, wenn Sie mich an meinem Arbeitsplatz besuchen - Der dritte Teil
„Heizlüfter heizt nicht“, „Brotbackautomat backt nur noch Kuchen“, wenn Sie im Internet gezielt auf die Suche nach Leidensgenossen gehen, werden Sie diese auch finden. Dennoch: Unterstehen Sie sich, in solchen Fällen Konstruktions- oder Serienfehler in gewöhnliche Funktionsausfälle hineinzufachsimpeln, wie auch ich während des gesamten Verlaufs unseres beinahe viertelstündigen Gesprächs mit größtem Unbehagen darauf verzichte, Sie eines Sprachfehlers zu verdächtigen, weil Sie die Worte „mir“ und „mich“ falsch anwenden. Vermutlich sehen Sie sich gern in der Position eines hochrangigen Verschwörungstheoretikers, doch die einzige Tatsache, die Sie dabei ans Tageslicht befördern, ist die, dass der detektivische Algorithmus Ihrer bevorzugten Suchmaschine, seinem vorgegebenen Naturell entsprechend, findet, wonach Sie suchen.
„Geht nicht“ ist keine adäquate Fehlerbeschreibung, vollkommen unabhängig davon, mit welchem Maß an Überzeugung und in welcher Lautstärke sie zugetragen wird. „Ich bin schließlich kein Techniker“ oder „Sie sind doch der Experte“ leisten ebenso wenig Abhilfe. Erläutern Sie das Fehlerbild, wie Sie Ihrem Hausarzt die Veränderungen in Ihrem Intimbereich beschreiben würden, wenn der wenig besorgniserregende Zustand Ihres Innenohrs keine Rückschlüsse auf den schmerzenden Strauchsteppenausschlag zulässt, der Sie zu ihm geführt hat.
Stellen Sie keine Fragen, deren triumphierend rhetorische Art der Formulierung bereits impliziert, dass Sie bis über die Gebote menschlicher Vernunft hinaus an der Unumstößlichkeit Ihrer eigenen Überzeugungen festhalten werden, denn ich werde weder Nerven noch Sauerstoff darauf verwenden, Sie aus Ihrer Schäfchenwolkenmärchenwelt zu reißen, wo sich Fuchs und Hase gegenseitig einen Bären aufbinden und Backöfen mit hakennasigen alten Frauen befeuert werden.
// 6. November 2012
Not eines Handlungsreisenden: Die zehn Wege zu einem reibungslosen Gesprächsverlauf, wenn Sie mich an meinem Arbeitsplatz besuchen - Der zweite Teil
Wenn Sie sich in der Lage zeigen, Ihr Reklamationsgesuch in einwandfreiem, wenn auch geringfügig akzentuiertem Deutsch vorzutragen, erscheint es nur umso lächerlicher, wie sich eine schier unüberwindbare Sprachbarriere aufrichtet, sobald es zur Ablehnung der zuvor erhobenen Garantie- oder Gewährleistungsansprüche kommt.
Ohrumschließend oder –penetrierend, es gibt keine Gesprächssituation, die durch das Tragen von Kopfhörern bereichert werden könnte. Sollten Sie, entgegen dieser Vorwarnung, nicht darauf verzichten wollen, Ihre von Natur aus eingeschränkte Auffassungsgabe durch den Einsatz gehörgangversiegelnder Miniaturschallwandler künstlich aufzuheben, so vertrauen Sie bitte auch nicht darauf, irgendeine Form der Unterstützung zu erhalten.
Reklamieren Sie ein aus kaufmännischer Sicht betagtes Gerät als defekt trotz nur geringfügiger oder gar gänzlich ausgebliebener Nutzung, plädieren angesichts einer unumgänglichen Reparatureinsendung jedoch für einen sofortigen Umtausch und begründen derartige Forderungen mit der Unentbehrlichkeit des betreffenden Produkts, wie glaubwürdig, denken Sie, stellen Sie sich auf diese Weise dar?
// 15. September 2012
Not eines Handlungsreisenden: Die zehn Wege zu einem reibungslosen Gesprächsverlauf, wenn Sie mich an meinem Arbeitsplatz besuchen - Der erste Teil
Nennen Sie mich nicht „Chef“, „Meister“ oder „Kumpel“! Ich bin nicht Ihr Chef, Ihr Meister oder Ihr Kumpel. Wenn ich wollte, dass jeder dahergelaufene Vorsintflutliche, sich leidlich salonfähiger Grußformeln bedienend, meine Würde und Autorität angreift, hätte ich mich für den Wehrdienst weiterverpflichtet. Wer ich bin, geht aus dem Inhalt meines Namensschildes hervor. Wahlanalphabeten, die sich bewusst gegen eine aktive Wahrnehmung von Hin- und Anweisungen entschieden haben, sollten sich nicht bemühen und sich auf ihr „Hallo!“, „Guten Tag!“ oder das verächtliche Schnauben beim Betreten meines Sichtfeldes beschränken.
Leiten Sie Ihre Beschwerde niemals mit den Worten „Ich weiß, Sie können auch nichts dafür aber[…]“ ein. Theatralische Demonstrationen falscher Einsicht machen Ihre daraufhin folgenden Unverschämtheiten auch nicht erträglicher.
Vermeiden Sie routiniert emotionslos vorgetragene Phrasen wie „Läge ein [beliebigen Garantieausschlussgrund einfügen] vor, würde ich es zugeben“; niemand, der sich angesichts eines unscheinbaren Geräteäußeren noch traut, das betroffene Produkt der Garantieprüfung zuzuführen, würde das.
„Defekt?“, „Nach so kurzer Zeit?“, „Wie kann das sein?“, ich weiß es nicht! Wie könnte irgendjemand das wissen? Bestünde auch nur eine einzige Möglichkeit zur Einflussnahme auf den Zeitpunkt, an welchem Gerätefunktionen ihren Dienst versagen, in welcher Form, glauben Sie, würde sich diese Option auf das Arbeitsaufkommen für mich auswirken?
// 13. Juni 2012
Not eines Handlungsreisenden: Gangreserve, Bereitschaft trotz Netztrennung
Die berufsbedingte Konditionierung meiner Gedankengänge auf eine möglichst zeitnahe Bewertung beliebiger Waren und Warengruppen unter Einbeziehung ihres Verhältnisses von Preis und Leistung, der Qualität etwaiger mit einem Kauf verbundener Garantieversprechen und ihres Potentials, das epidemische Geltungsbedürfnis eines Kundenstamms zu befrieden, ist mittlerweile zu einem automatisierten Prozess verkommen, der es mir zunehmend schwerer macht, Zufallsbegegnungen fern des Arbeitsplatzes nicht ausschließlich hinsichtlich der selbstwertfördernden Konsumgüter zu bewerten, die sie der anteilnahmslosen Öffentlichkeit so penetrant unter die Nase reiben, als könnten sie auf diese Weise aus dem Stand eines Bus- und Bahnstatisten zum Mittelpunkt des allgemeinen Interesses aufsteigen.
Da sind die Ich-habe-den-größten-(Kopfhörer)-Audiophilisten auf verzweifelter Suche nach dem 320-kbit/s-Abriss ihres Lieblingsinterpreten, welcher irgendwo zwischen peinlichen Vollrausch-Stimmungsmachern und leidlich digitalisierten Langspieler-Bruchstücken lagert, mit Hilfe derer die Zugehörigkeit zu einer aktuellen, trendsicheren Subkultur bekräftigt werden soll, auf der riegelförmigen Datenmülldeponie, die in Hand-, Hemd-, oder Hosentasche spazieren geführt wird.
Dort sieht man übermotiviert umherstreunende Luxustouristen, die keinerlei Kosten gescheut haben müssen, um in eines jeden Vertreters der Arbeiterklasse Wunschreise starten zu können, für die Dokumentation jedoch auf das kümmerliche Objektiv ihres Mobiltelefons zurückgreifen und somit Erinnerungsstücke schaffen, die jeder semiprofessionelle Schnellkarikaturist besser und nur zu einem Bruchteil der finanziellen Aufwendung für den Neuerwerb eines der besagten Knipskümmerlinge hätte kritzeln können.
Der Dicke-Hose-Faktor hat Praktikabilität und Preisbewusstsein längst abgelöst.
// 29. Mai 2012
Not eines Handlungsreisenden: Wer nur heiße Luft produziert, darf sich über Servicewüsten nicht wundern
Das betont höfliche Geschäftsgebaren im alltäglichen Umgang mit dem blasenschlagenden Einheitsbrei, aus dem sich der vermeintlich vielschichtige Kundenstamm eines Einzelhändlers zusammensetzt, ist ein auslaugender Balanceakt auf einem drahtseilartigen Geduldsfaden, gespannt zwischen der Bereitschaft, dem Verbraucher gegenüber ein größtmögliches Maß an Kulanz aufzuwenden, und der überlebenswichtigen Notwendigkeit, den eigenen, kaufmännischen Interessen zu entsprechen, während der feuchtmuffige Wind unwissender Empörung von der Seite bläst.
Vom Leben gezeichnete Capri-Sonne-Kids in ihren Thug-Life-T-Shirts, die sich darüber entrüsten, dass ihre brandneuen, praktisch nur aus Bildschirm bestehenden Taschenbuchformat-Mobiltelefone, zweifellos bedingt durch einen gemeinsamen Konstruktionsfehler, infolge des vierten Sturzes auf Asphalt Glasbruch erlitten haben; besserwisserische Spätsemester, deren fabrikneue Bombast-Computer den devolutionären Verkümmerungsprozess von der neidhaschenden Rechenmaschine hin zum digitalen Köderbehälter in Rekordzeit durchlaufen haben; oder der Kettenraucher, der der unumstößlichen Meinung ist, einen nachweislichen, gutachterlich bestätigten Gerätedefekt aufgrund wiederholt übermäßiger Nikotineinwirkung auf die Elektronik als anfänglich ausgeben zu können. Ihnen allen ist gemein, dass sie Leistungen aus Ansprüchen einfordern, die sie nicht haben, sich einer sachlichen Belehrung jedoch konsequent verweigern.
Der Kampf der Gerechten wird nicht halb so gerecht geführt, wie es die niemals abebbende Speichelgischt dümmlich lamentierender Pseudo-Anwälte und Möchtegern-Pressevertreter vermuten lässt, die sich auch dann nicht überführt fühlen, wenn sie sich abscheulichster Schimpfworte bedienen, um mir Unwissen und Unhöflichkeit zum Vorwurf zu machen.
// 2. April 2012
Not eines Handlungsreisenden: Lassen Sie mich durch, ich bin vom Fach
Sie haben jeden Zeitungsartikel gelesen und jeden Fernsehbericht gesehen, Sie wissen alles und geben sich unbeirrbar, doch letztlich wissen Sie nur alles besser.
Dabei vernachlässigen Sie nur zu gern, dass Fachkompetenz nicht gleichzusetzen ist mit dem Bezug des monatlich kündbaren Probeabonnements der Zeitschrift „Halbbilder, Halbleiter und Halbwissen“; dass der regelmäßige Konsum pseudo-dokumentarischer Gerichts- und Rechtsberatungssendungen Sie zweifelsohne in den Rang eines Pantoffelhelden, nicht jedoch zum Star-Anwalt befördert; und dass die Der-Kunde-ist-König-Attitüde Ihnen kein Widerspruchsrecht in den Fragen des gesunden Menschenverstands einräumt.
Sie würden einem Internisten auch keine Anleitung für die fachlich korrekte Durchführung einer Intubation entgegenwürgen, während dieser Ihnen einen fingerdicken Schlauch in den Rachen rammt. Ebenso wenig stritten Sie mit dem Piloten Ihrer Sex-und-Abschuss-Discount-Reise über die eingelegte Flugroute, obwohl „Google Maps“ Sie schneller ans Ziel gebracht hätte.
Dennoch scheinen Ihnen sogar die am wenigsten verzichtbaren Grundlagen eines angemessenen Umgangs mit Ihren Mitmenschen vollkommen fremd zu sein, sobald Sie sich einem Handelsvertreter gegenüber sehen.
Doch bedenken Sie: Es ist kaum verwunderlich, dass Ihnen das Gras auf Ihrer Seite des Verkaufstresens grüner erscheint, wenn es in dem geistlosen Dung gedeiht, der dort tagtäglich in aller Maßlosigkeit und mit unverhältnismäßiger Inbrunst abgeladen wird.
// 15. Februar 2012
Not eines Handlungsreisenden: Es ist nichts Gesundes an Buchstabensalat
Wenn sich die qualvollen Sterbeschreie wahllos zerplatzender Gehirnzellen zu einem trommelfellzerreißenden Verdummungskanon zusammentun, dann liegt das vor allem an den Lieferscheininschriften, die es tagtäglich zu entmystifizieren gilt: “EMPFIEHLT NEUE ACCU, ACCU IHR ALTES MAL GEKÜRZT KAPAZITÄT.”
Während die hüfthohe Hürde der sprachkonformen Wortwahl zum Legasthenie-Limbo lädt, ist die Sorge um eine adäquate Groß- und Kleinschreibung überflüssig. Denn das wichtigste, das am wenigsten entbehrliche Arbeitsgerät eines Sachverständigen des 21. Jahrhunderts: Die Caps-Lock-Taste.
Die Caps-Lock-Taste, das grellbunte Ausrufezeichen hinter dem unverständlichen Letternbrei einer durch Idiotie geschwängerten Großhirnrinde.
Die Caps-Lock-Taste, der immer gleich gerichtete Wegweiser zur Verdrängung selbstständigen Denkens. Er weist stets nach unten.
// 6. Februar 2012
Not eines Handlungsreisenden
Der erste Kunde des heutigen Tages zerrt an meinem Geduldsfaden wie an dem Türgriff, noch ehe der Hauptschlüssel die zwei notwendigen Umdrehungen im schwergängigen Schloss der Ladentür absolviert hat.
Er ist alt. Sein eremitäres Äußeres stimmt mich wieder freundlich und ich widme mich dem verstaubten Projektor, der, vermutlich defekt, seinen ähnlich angegrauten Eigentümer zu mir geführt hat.
Das Gerät ist gelb von Nikotin, das Magazin ragt heraus und ein einzelnes Positiv zieht meinen Blick auf die ausladenden Konturen einer adipösen Matrone, deren augenscheinliche Vorliebe für unvorteilhaft knapp geschnittene Reizwäsche einen widernatürlichen Anteil krausen Flaums preisgibt.
„Meine Frau!“, süffisiert er und präsentiert dabei eine beachtliche Ansammlung fauliger Vermächtnisse dessen, was ohne medizinisches Hintergrundwissen unmöglich als Gebiss identifiziert werden kann.
Eremitär; das war wohl ein Irrtum.
// 12. Dezember 2009
partyausfall.de: Dryconditions - Into The Night (Black Light)
Schweizer Post-Punk-Routinier und Pink-Floyd-Prisma-Plagiat, darf man das? Pop-Appeal und Massenkompatibilität als “Dark Side Of The Moon”-Lookalike, darf man das? Vielleicht sind es die zehn Jahre des gemeinsamen Musizierens oder die vielen Live-Shows, die sie sich anrechnen dürfen, für die vier Züricher Mannen von Dryconditions scheinen sich diese Fragen jedenfalls gar nicht zu stellen und so steht allen Musikinteressierten “Into The Night (Black Light)”, die neueste Veröffentlichung des Quartetts ins Haus; man gibt sich selbstbewusst und proklamiert voller Stolz: “Pink Floyd is dead, DC are alive[…]”; ob man so was nun darf oder nicht.
Die Vorzeichen stehen gut: Eine gute halbe Stunde lang sorgen insgesamt zwölf Tracks für solide bis überdurchschnittliche Unterhaltung. Kurzweil im Mid-Tempo-Bereich und bewährter Gesang irgendwo zwischen punkigen Hymnen und rockigen Shouts, Einflüsse aus dem Hartkern-Bereich sind regelrecht allgegenwärtig, aber nur selten dermaßen präsent, dass man die gebotenen Stücke der Post-Hardcore-Schublade zuordnen könnte. Abgerundet wird das Gesamtbild durch instrumentale Einlagen; abwechslungsreich, durchaus ansprechend, doch auch wenn der eine oder andere Song erfolgreich zündet, nichts, aber auch gar nichts von alldem überdauert die Laufzeit der CD. Gute Vorzeichen sind eben nicht alles und so kreiert “Into The Night (Black Light)” zuerst das Wohlgefallen, um sich anschließend wieder gänzlich darin aufzulösen. Durchschnittskost, gut umgesetzt, aber zu egal, um dauerhaft begeistern zu können.
Textlich bewegen sich Dryconditions zwar auf nicht ganz unberührten Pfaden, doch bereits der erste Blick ins Booklet verrät, dass selbst häufig verarbeitete Themen von einer gewählten Ausdrucksweise nur profitieren können; “Take me down the empty road / My pockets filled with heavy notes of you” (“Teenage Sundown”).
Anspieltipps sind der Opener “Against Panic!” und “City Sind Rondo”, das komplette Album lässt sich derzeit noch kostenfrei online anhören. Der entsprechende Link zum Stream ist auf dem MySpace-Profil der Band hinterlegt.
// 25. November 2009
partyausfall.de: Scarscab - Under The System Of Mass Destruction
Bei der Vielzahl unterschiedlichster Musikrichtungen und der stetig stärker werdenden Flut neuer Veröffentlichungen innerhalb der einzelnen Stile ist es nicht immer einfach, eine eindeutige Zuordnung vorzunehmen. Im Zuge dessen bekommt man es in unregelmäßigen Abständen mit mehr oder weniger ungewöhnlichen Kombinationen zu tun. So geschehen im Fall der Wiesbadener Thrash-Metal-Kombo Scarscab und ihres kürzlich erschienenen Langeisens “Under The System Of Mass Destruction”, für welches das in Nordrhein-Westfalen heimische Label Build A Nation Records verantwortlich zeichnet.
Der Planet steht in Flammen, der “666”-Strichcode unter einem Krikelkrakel-Schriftzug und dem etwas lieblos anmutenden Albumtitel, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Dieses Buch sollte man wirklich nicht anhand seines Covers beurteilen, denn dann wird man feststellen, dass der Sound keinesfalls so klischeebeladen und stilisiert daherdröhnt, wie es die Optik vermuten lässt.
Auf der Webseite der Band schreibt man in diesem Zusammenhang von 1990er-Thrash und einem nicht von der Hand zu weisenden Hang zum Nu Metal. Und tatsächlich: Gesanglich eine Gratwanderung zwischen derben Shouts, älteren Metallica, einer betont maskulinen Hardrock-Kante à la Godsmack und melodischen Refrains, wie sie schon Disturbed und aktuelle Slipknot-Releases erfolgreich zum Einsatz bringen; tonal mal schnell, mal langsam, mal noch langsamer, größtenteils aber mitten ins Gesicht. Eine Mixtur, die Scarscab nun schon seit sieben Jahren, auf einigen Demos und bislang zwei Alben zelebrieren.
Das Soundgewand und die gesellschaftskritischen Texte machen “Under The System Of Mass Destruction” zumindest hörenswert, aber auch mehr zu einer reinen Geschmackssache als es bei anderen Genre-Vertretern der Fall ist; interessant, technisch versiert, aber wenig einprägsam. Wenig klischeebeladen oder stilisiert, ja, aber keine Offenbarung. Der Song “Forsaking Freedom” glänzt mit all dem, das im Laufe dieser Rezension beschrieben wurde und steht Interessenten derzeit auf dem MySpace-Profil der Band zur freien Verfügung. Weitere Anspieltipps sind “In Chains” und “A Call To Resistance”.
// 19. November 2009
partyausfall.de: Crownstreet Boulevard - Notes And Words
Was schon im Jahre 2006 unter dem Pseudonym Anger Management aus der Taufe gehoben wurde, schickte sich bereits im letzten Jahr an, der Hardcore-Welt mit tonaler Umorientierung und einem neuen Namen einzuheizen. Ob Crownstreet Boulevard nun die logische Konsequenz aus dem Ablegen des Bollo-Gewandes ist oder ob der beschauliche Landkreis Tuttlingen ganz einfach nicht genügend Zorn provoziert, den man als Anger Management hätte verwalten können, sei ganz einfach dahingestellt und stattdessen angemerkt, dass die Band sich einen Melodic-Hardcore-Mantel übergestreift hat, der sowohl klanglich als auch textlich nicht wenige Ähnlichkeiten zu Musikern wie denen von My First Failure, insbesondere aber zum “The Color” betitelten Debüt der Aschaffenburger Punks aufweist. Viel Melodie, einige Breaks, Crew-Shouts und eine dezente Rock-Kante.
Verbittert, roh und angefressen, so sieht sich die Band und so hört sich “Notes And Words” auch an, “it’s raining dust in my dead buried heart” (“dance(with)the$$devil”), es wird gelitten, was das Zeug hält und ganz genau wie ihre bayerischen Artgenossen, erfreut sich das baden-württembergische Quartett in unregelmäßigen Abständen auch positiv motivierter Mußestunden: “[We] are on the rise”, “our hearts still not broken” (“*our#rise”); “set³us-on?fire” etwa beschreibt die Dynamik und die Faszination, die von einer Live-Show ausgehen, auf eine sympathisch euphorische Art und Weise.
Alles in allem klingt das zwar nicht schlecht, vermag aber nur bedingt zu überzeugen. Nicht schlechter als das Gros der Melodic-Hardcore-Masse, aber auch nicht besser und zu keiner Zeit mit Genre-Vertretern wie den Gold Kids zu vergleichen.
Antesten und reinhören, so muss die Empfehlung lauten, “set³us-on?fire” und “deadºdreams%!” bilden dabei die Speerspitze der auf dem MySpace-Profil abrufbaren Songs und sollten die Urteilsbildung deutlich erleichtern können, dort dann auch ohne diese merkwürdigen Schreibweisen, die sich auf dem CD-Release wiederfinden lassen.
// 16. November 2009
partyausfall.de: COR - Seit Ich Die Menschen Kenne, Liebe Ich Die Tiere!
Gute sieben Jahre des Bestehens auf dem Buckel, weit mehr als ein halbes Dutzend Veröffentlichungen im Plattenregal und “Trashrock for Life” auf der Stirn zu stehen: Die Rügener Punkrock-Gruppierung COR hissen auch anno 2009 wieder die Rügencore-Flagge und schippern fröhlich die Punk-, Thrash- und Hardcore-Gewässer auf und ab. Vielleicht ist “fröhlich” aber auch das falsche Wort, denn ein Titel wie “Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere!” spricht Bände über die Einstellung der Band und die inhaltliche Richtung, in die sie mit dem neuen Release driftet. Wem das jedoch noch nicht eindeutig genug ist, dem gereichen eventuell die zwei Menschenhirn schnabulierenden Cover-Affen, die sich an einer offenen Schädeldecke laben wie an einem überteuerten Erdbeereisbecher, zu der Erkenntnis, dass er es mit latenten Misanthropen zu tun hat.
Ob COR sich als “[die] Gewalt, die aus den Boxen knallt”, als “[ein] Guerillakrieg aus dem Hinterhalt” über die Debilität aktueller Popergüsse aufregen (“AntiPop”), mit “[mach] ne Platte, bring sie raus, ‘Fuck Big Deals!’” zu mehr Eigeninitiative aufrufen (“DIY”) oder die Themen schlagartig melancholische Ernsthaftigkeit annehmen, “[wenn] der Nachbar sich sehr engagiert für die Kinder in der Stadt, [ihnen] mit Liebe, Wut und seinem Schwanz die Unbeschwertheit genommen hat” (“Das Tier”); das Vierer-Gespann strotzt vor Inhalt.
Was die Vortragsweise angeht, so fällt die Beurteilung schon deutlich schwerer. Der Gesang, fast ausschließlich gesprochen, Punk durch und durch, dabei mindestens ebenso polarisierend. Die Produktion lässt Druck vermissen, wo die Texte zum Arschtreten einladen, gibt es schlimmstenfalls einen Klapps auf den Hinterkopf, die Arrangements fallen entsprechend unkompliziert und wenig aufregend aus.
Die Entscheidung, inwiefern es sich bei der aktuellen Scheibe tatsächlich um die bisher beste Platte der Band handelt, dieser Meinung sind zumindest COR selbst, kann man getrost ihren wahren Fans überlassen, denn diese scharen sich nun schon seit Jahren um ihre liebsten Insel-Punks und werden von “Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere!” keinesfalls enttäuscht sein. Sonstige Punk-Affine dürfen ein Ohr riskieren, sollten mit ihren Erwartungen jedoch behutsam umgehen. So fällt die Wertung auch neutral aus. Anspieltipps sind “Das Tier” und “Engel”.
// 12. November 2009
partyausfall.de: Kyo:ma - 6:10
“Freecore”; so heißt es auf der offiziellen Internetpräsenz von [kyo:ma], einer jungen deutschen Kapelle aus dem Raum Gießen, Marburg. Metal, Hardcore, Experimental, so wird versucht, diese Wortneuschöpfung mit bekannten Begriffen zu umschreiben, was auch zwingend notwendig ist, wenn ein nichtssagender EP-Titel wie “6:10” dem exzentrisch anmutenden Bandnamen in nichts nachsteht, zumindest was die Transparenz des Genres angeht. Was sollte man also von einer CD erwarten, die mit derartigen Grundvoraussetzungen an den Start geht? Die Antwort ist: Alles und noch ein wenig mehr. Chaos und Struktur, Geschrei, hoch und tief, englisch und deutsch, Melodie und Mosh, Tempo und Gemach, Gitarren und Didgeridoos, ganz recht, Didgeridoos. Allein auf altbackene und festgefahrene Stilvorgaben muss Verzicht geübt werden, [kyo:ma] sparen also an genau den richtigen Ecken und Enden.
Eine Band, die sich so wehement um eine eigene Identität bemüht, ist über alle Maßen sympathisch und das macht es umso bedauerlicher, dass dieses Konzept zwar angenehm frisch klingt, was aber vielversprechend beginnt, krankt an der erschwerten Zugänglichkeit gepaart mit der Monotonie, die sich auch dann nicht vermeiden lässt, wenn die sich wiederholenden Stilmittel innovativ und ungewöhnlich erscheinen. Ganz anders als die musikalische Bandbreite, fällt die Ausstattung dieser Veröffentlichung deutlich weniger üppig aus. So hätten die fehlenden Songtexte schon einiges mehr an Aufschluss zugelassen, worauf man mit “6:10” hinaus will. Die Intentionen entziehen sich jedoch nicht gänzlich einer sachlichen Auseinandersetzung: Wer sich auf der Homepage der Band umsieht, dem wird auch der Blick auf die Textinhalte der einzelnen Songs gewährt und siehe da, der Funke springt schon schneller, getreu dem Motto “Zünde dein Herz! Zünde deine Hoffnung! Zünde deine Wut! Vom Funken bis zur Glut!” (“Zeitzünder”).
[kyo:ma] verdienen es, ausgecheckt zu werden. “6:10” ist ein interessantes, ein vielschichtiges Debüt, dem es nur ein wenig am Durchhaltevermögen mangelt. Die Tracks “Zeitzünder” und “When Evil Prevails” stehen der Allgemeinheit auf dem MySpace-Profil der Band zur Verfügung.
// 28. Oktober 2009
partyausfall.de: 400Colpi - Homo Homini Lupus
Druck, Druck, Druck und davon reichlich; aus Italien erreicht das aktuelle Release einer jungen Combo die deutschen Lande und hat einiges zu bieten. Bereits der Opener “Kane” unterhält mit einem vertraut anmutenden Riff aus der Hartwurst-Ecke und bleibt beileibe nicht die einzige Überraschung. Der Song “Neve” etwa startet in bester Rumpel-Metal-Manier, um dann wieder eiligen Schrittes nach vorn zu stoßen und anschließend über dem ahnungslosen Publikum zusammenzubrechen wie eine morsche Holzbrücke unter einem risikofreudigen Schwerlasttransport. Hier geben sich Metal und Hardcore zu gleichen Teilen die Ehre; ein erfrischend ungestümer Sound, der sich nicht um Konventionen schert, der genauso gern den Two-Step auf das Parkett legt, wie er sich dem hemmungslosen Gebolze hingibt. Das sind die richtigen Zutaten für eine knusprige Gänsehaut.
Anders als ihre Landsmänner von den Gold Kids tragen 400Colpi die zehn Stücke dieses Debüts in ihrer Landessprache vor. Wer also nicht in der Lage ist, den O-Ton der kompletten Spencer-Hill-Filmografie zu reproduzieren, der wird auch an den Texten der Band wenig Freude haben, denn so gut sich diese in das übrige Soundgefüge integrieren, die aggressive Grundstimmung sogar unterstreichen, so wenig verständlich breiten sie sich vor der unbedarften Hörerschaft aus. So lassen einzig und allein das stimmige Cover-Artwork und der Titel “Homo Homini Lupus”, “der Mensch ist des Menschen Wolf”, Rückschlüsse auf lyrische Inhalte und Zusammenhänge zu: Die Gruppe aus der Familie von Chorus Of One Records scheut sich nicht vor sozialkritischen und politisch motivierten Themen.
Leider verliert das Album nach der ersten Hälfte merklich an Fahrt, woran auch das durchaus gelungene Instrumentalstück “Sabra E Shatila” nicht viel ändern kann. Somit bleibt “Homo Homini Lupus” wohl ein Geheimtipp und 400Colpi ein sympathischer Haufen, den man im Auge behalten sollte. Anspieltipps sind die bereits erwähnten “Kane” und “Neve”; diese stehen auf dem MySpace-Profil der Band zur Verfügung, wo auch die acht restlichen Tracks angehört werden können.
// 21. Oktober 2009
partyausfall.de: Go For It! - Reading Between The Front Lines
Go For It! sind vier finster dreinblickende Herren aus dem Ruhrgebiet, dem Quasizuhause finster dreinblickender Herren, was, zugegeben, durch einen Zuversicht verheißenden Bandnamen wie Go For It!, durch Ambitionen und Herz, die sich in den Songtexten widerspiegeln, durch ein mit Schnappschüssen von vermutlich Freunden und Familie ansprechend gestaltetes Booklet konterkariert wird. Blood For Blood und “White Trash Anthem”-Anleihen? Engagement und Bollo-Fassade? “Reading Between The Front Lines”: Ein Name, ein Programm.
“Fuck ‘No Future’, use your fucking brain!” (“Know Your History”), “Nothing can hold you down, go for it!” (“No Desperation”), “You’re always in my heart!” (“Responsible For You”); Hardcore-Punk mit deutlich positiven Einschlägen und viel, viel Attitüde, die sich vor allem dann zeigt, wenn es um die Kritik an rechtem Gedankengut, den Ismen der Diskriminierung und einer Szene geht, die ihre Wurzeln zusehends zu vernachlässigen scheint; dabei bleiben die Referenten immer authentisch und glaubhaft. Darüber hinaus werden diese Themen mit einer solchen Fülle an Crew Shouts, Groove und Abgehparts vorgetragen, dass man nur zu einem Schluss kommen darf: Diese Band hortet die Sympathiepunkte regelrecht. Der stetige Wechsel zwischen tiefen Shouts und schnellem Gebell und die vom Punk beeinflusste Instrumentierung bitten zum Tanz; vertonte Dynamik über die Distanz von acht Tracks und einer Spieldauer von etwas mehr als einer Viertelstunde, leider aber auch kein Ausbrechen aus diesem Konzept, woran das letzte Drittel der EP spürbar zu kranken beginnt. Um auf einem Langspieler überzeugen zu können, wird man sich noch einiges einfallen lassen oder die Anzahl der Earcatcher erhöhen müssen.
“Reading Between The Front Lines” stellt eine Rückbesinnung auf den Ursprung eines ganzen Genres dar und das ist es auch, was Go For It! von ihren Hörern wollen und worauf diese sich einlassen sollten, denn dann macht die alte Schule wieder richtig Spaß. Die komplette EP kann derzeit auf dem MySpace-Profil der Band gehört werden, eine klare Empfehlung.
// 11. Oktober 2009
partyausfall.de: Zero Mentality - Black Rock
“Black Rock, the beginning the primeval core, rockin’ your world like nobody before”, noch Fragen? Zero Mentality lassen sich nicht erst seit ihrem letzten Release schwerlich einer eindeutigen Musikrichtung zuordnen, doch der gleichnamige Opener ihres neuen Albums “Black Rock” erleichtert diese Angelegenheit ein wenig und läutet den folgenden Genrezirkus denkbar zuverlässig ein: Astreine Rocknummern, Groove-Granaten am laufenden Band, mal zügig, mal gemächlich, aber mit viel Sinn für Melodie und nahezu allgegenwärtigen Einflüssen aus dem Metal. Zusammen mit dem dezenten Hardcore-Hammer der hier und da noch geschwungen werden darf, Akustikeinlagen, Frauenchor und mehr ergibt sich ein spannendes Sammelsurium, das auch bis zur allerletzten Sekunde zu unterhalten vermag. Zugegeben: Wirklich leichter wird die Definition des Musikstils dadurch nicht, positiv ist diese musikalische Vielfalt aber allemal.
Kratziger Gesang und einige gesprochene Parts werden durch schnelle Shouts und Growls ergänzt, auch auf weibliche Unterstützung darf der Zuhörer sich freuen. Die Vocals fallen ebenso eigenwillig wie polarisierend, aber wirkungsvoll aus und punkten mit entsprechendem Wiedererkennungswert; “No Salaam No Shalom”, kein Frieden? “Feature Dich Selbst”, ein Aufruf zu mehr Eigenverantwortung? Die Reichhaltigkeit der behandelten Themen steht der der tonalen Untermalung in nichts nach. “[…] one should be ready to include everything into expectation”, so tönt die Werbetrommel und sowohl textlich als auch in jeder anderen Hinsicht ist dem nichts mehr hinzuzufügen.
Zero Mentality haben sich einmal mehr weiterentwickelt, auf “Black Rock” gebärden sie sich auffallend, heben sie sich weiter vom Rest der Untergrundszene ab, jedoch nicht um jeden Preis, das ist nicht nur wünschenswert, sondern auch äußerst sympathisch; das Pfeifen auf Konventionen, die Konsequenz ihrer selbst, das verschafft der Band eine Fanbase, die mindestens genauso vielschichtig ist wie die Kapelle, die sie allesamt so feiern. Die Empfehlung, egal ob Anhänger, Quer- oder Neueinsteiger, kann also nur lauten: Reinhören! Anspieltipps sind “No Salaam No Shalom”, “Devils Charity” und der Titeltrack, wovon letztgenannter auf dem MySpace-Profil der Jungs zur Verfügung steht.
// 5. Oktober 2009
partyausfall.de: Reaching Hand - Threshold
Sie sind produktiv, passioniert und bei ihnen hat die Frau das Sagen: Portugals Posi-Jungspunde von Reaching Hand haben die letzte ihrer wenigen Tourpausen darauf verwandt, eine Hand voll Tracks aufzunehmen und sie ihrer ausgehungerten Anhängerschaft in Form der EP “Threshold” zu präsentieren. Fünf Songs schicken sich also an, die Frage aufzuwerfen, ob die Truppe genauso heiß ist wie der Sommer des Jahres 2007, in welchem sie aus der Taufe gehoben wurde.
Emotionsgeladene Gesichter und gereckte Fäuste, vermutliche Fans schreien sich zusammen mit der Band durch das energisch vorgetragene Programm, die Aufmachung der CD verfehlt ihre Wirkung nicht, ein Blick in das mit Live-Bildern optisch aufgepeppte Booklet macht dann deutlich, die acht Augen der Band scheinen stets geradeaus gerichtet zu sein. Always “make every moment count” (“Time And Again”) and “trying [their] best” (“Insight”), gelegentlich werden alte Rechnungen beglichen (“Settle The Score”); das lyrische Standardrepertoire einer jeden Hardcore-Kapelle erfüllt einmal mehr seinen Zweck, solide, aber frei von Überraschungen.
Ein ganz ähnliches Muster zieht sich auch durch die sonstige musikalische Gestaltung. Abgeh-Parts an den richtigen Stellen, ein paar Zeilen zum euphorischen Mitsingen und das Ganze mit weiblicher Röhre am Mikrofon, die hier und da aufhorchen lässt, denn bei Reaching Hand gibt es ausschließlich Geschrei statt zuckersüßer Gesangseinlagen. Das ist mit Sicherheit nicht das Portfolio der Wahl, wenn es darum geht, auf einschlägigen Flirtportalen um die Gunst eines potentiellen Lebensabschnittsgefährten zu buhlen, das Festhalten an der Einstellung “niedlich war gestern” vermag jedoch zu gefallen und den einen oder anderen Pluspunkt zu verbuchen. Die Zutaten stimmen, alte Schule und ein Quäntchen Melodie, welcher Koch hier jedoch den Brei verdorben hat, erscheint nicht eindeutig. Vielleicht ist “verdorben” auch ein zu hartes Wort für ein durchaus gelungenes Debut, dem es einfach an Individualität mangelt und das mitreißender, spannender hätte ausfallen können. Anspieltipps sind “Time And Again” und das derzeit auf dem MySpace-Profil der Band zur Verfügung stehende “Insight”.
// 26. September 2009
partyausfall.de: Versus The Throne - Ruins Afire
Es waren einmal fünf ambitionierte Musiker, die sich unter ihrem Banner “Blood Spencer” nicht mehr wohl fühlten und dies zum Anlass für eine Namensänderung machten, welche unter großen Begriffen wie “Ehrlichkeit” und “Weiterentwicklung” verbucht wurde. Neuer Name, altes Line-up, der selbe Stil, unveränderte Setlist, mit Bastardized Recordings aber zumindest ein neues Label über dem Kopf; über den Sinn oder Unsinn einer solchen Initiative lässt sich sicher streiten, produktiver wäre es jedoch, sich den Langspieler zu Gemüte zu führen, der aus dieser Umbenennung hervorging.
Ein kurzes, nichtssagendes Intro eröffnet das folgende halbstündige Vergnügen: Düster, druckvoll und bedrohlich, Versus The Throne spielen Melodic Death Metal mit dezenten, auf einige wenige Crew-Shouts und sparsam eingesetzte Mosh-Parts reduzierten Hardcore-Anteilen, irgendwo zwischen The Black Dahlia Murder, frühen Job For A Cowboy und aktuellen Deathcore-Nasen. Anders als viele andere derzeitige Releases in diesem Genre und darüber hinaus macht “Ruins Afire” jedoch nicht den Fehler, die angehäufte Spannung im Laufe eines jeden Tracks in eine vertonte Kriegserklärung münden zu lassen. Weniger ist oftmals eben doch mehr und noch weniger wäre in diesem Fall auch nicht falsch gewesen, denn es sind vor allem die Band-Chöre und einige Breaks, die zum Teil deplatziert und wenig originell daherkommen. Lobende Erwähnung hingegen sollten die hervorragend eingängigen Melodien sowie der charismatische gutturale Gesang zwischen hohen Screams und tiefen Growls finden, die zu überzeugen wissen.
Angesichts der wenigen wahrhaftigen Veränderungen innerhalb der Band und des Sounds, erscheint es fragwürdig, ob ein derartiges Release nicht auch durch Blood Spencer hätte verwirklicht werden können; das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es sich bei “Ruins Afire” um einen Sure Shot für jeden Anhänger dieser Sparte handelt, eine rundum gelungene Angelegenheit, in der sich das immerhin dreijährige Bandbestehen und weit über einhundert gespielte Shows widerspiegeln. Anspieltipps sind Crestfallen, Judas Castigation und vor allem der Titeltrack.
// 22. September 2009
partyausfall.de: Trapped Under Ice - Secrets Of The World
Dass sich neue Veröffentlichungen an ihren Vorgängern messen lassen müssen, ist nicht neu; der Nachfolger einer mit Kritikerlob geradezu überhäuften “Stay Cold”-CD ist keine Ausnahme und so schickt der US-Bundesstaat Maryland sein Schlachtschiff Trapped Under Ice erneut ins Feld, um den Beweis anzutreten, dass “total aural brutality” nicht nur in EP-Form funktioniert, sondern auch auf voller Länge überzeugen kann.
Dem Vorgänger nicht unähnlich, bietet sich dem Zuhörer ein akustisches Schauspiel, das mit Hardcore Punk und Metal in den Hauptrollen bestens besetzt ist und für den beinahe schon obligatorischen Hip-Hop-Einschlag die eine oder andere Statistenrolle bereithält. Nur langsam schippert “Secrets Of The World” aus den Lautsprechern und wagt sich gelegentlich in Midtempo-Gefilde; dass das Ganze dennoch niemals ins Phlegmatische abdriftet, dafür sorgt Reibeisenstimme Justice, der nicht einfach wütend oder angefressen klingt, auch “angepisst” ist kein Adjektiv, das stark genug wäre, diesen Hassbatzen zu beschreiben.
Doch nicht nur die markante stimmliche Gestaltung, auch die Textinhalte legen die Vermutung nahe, dass es hier weniger um die Geheimnisse als viel mehr alles Schlechte auf der Welt geht: “Can’t wash my hands of the blood and oil. Can’t take this poison as mine and hide behind dollar signs.” Der Song “American Dreams” spricht eine deutliche Sprache, doch es geht um so viel mehr, die Schwierigkeit, das richtige zu tun, Drogenmissbrauch und Prostitution, “Titus” ist zweifelsohne der traurige Höhepunkt des Albums. Der Rausschmeißer “World I Hate” bringt die Grundstimmung von “Secrets Of The World” dann noch einmal auf den Punkt: “You know I hate the world.”
Trapped Under Ice überzeugen tatsächlich über die gesamte Distanz; das aktuelle Release überzeugt durch reichlich Druck, fetten Groove und sparsam eingesetzte, dafür umso wirksamere Melodien und auch wenn sie sich damit nicht für die Academy Awards qualifizieren werden, die Oscar-Rede dieser Jungs wäre sicher Gold wert. Anspieltipps sind “Believe”, “Gemini” und “Titus”.
// 27. August 2009
partyausfall.de: Out For The Count - Between Light And Shade
Wer sich in den letzten Tagen ohnehin des Öfteren in Frankreich aufhält, um den postapokalyptischen Klängen von Kickbacks “No Surrender” zu lauschen, dem sei zumindest ein kleiner Probe-Abstecher in die trostlosen Gefilde von Out For The Count, die ihre Schimpftiraden vorzugsweise im Norden von Paris entfesseln, wärmstens ans Herz gelegt. “Positive is for your HIV test, not for hardcore”; wenn ein solcher Spruch auf dem imaginären Banner prangt, lässt das jedenfalls keinerlei Zweifel an der Intention aufkommen, der man sich als Band verschrieben hat: Blut und Galle, davon liest man auch auf dem Info-Sheet.
Out For The Count präsentieren sich, im direkten Vergleich mit Kickback, ähnlich metallisch, aber deutlich stumpfer und weit weniger einfallsreich. Nach einem mit verstörenden Schreien angereicherten Intro zeigen sich die eigentlichen Parallelen zwischen den beiden Referenzgrößen im heiseren Geschrei, das stark an die jeweils andere Band erinnert. “Between Light And Shade” erweitert das Spektrum außerdem um einen weiteren Vokalisten, der sich der üblichen Tough-Guy-Shouts bedient. Das Wechselspiel der beiden Sänger weiß zu gefallen; angefressen und negativ, immer die richtige Portion Mosh in der Hinterhand, ohne das Beatdown-Trittbrett zu sehr zu belasten.
Textlich dreht sich alles um “having your insides revealed” (“Rugged Shit”) und “then burn that shit with a barrel of fuel” (“The Blood And The Gall”), wobei man sich gern mit Dirty Harry und Steven Seagal vergleicht und den Hörer immer wieder darauf hinweist, dass man Out For The Count heißt. Das reicht, um den Pit anzuheizen und die hungrige Ninja-Meute in Spinkick-Ekstase zu versetzen, jedoch nicht, um bei den Großen mitzumischen und stellt für mich den größten Schwachpunkt einer Band dar, die sich ansonsten versiert durch die elf Tracks des Albums holzt, was mit Kurzweil belohnt wird. Anspieltipps sind “Rugged Shit”, der mächtige Titeltrack und das durch Hip-Hop verstärkte “The Crown And The Thorns”.
// 19. August 2009
partyausfall.de: Black Thunder - Not Enough Graves
“Let’s go!” grunzt es unvermittelt aus den Boxen und los geht es dann auch tatsächlich, fünf mal Melo-Tod peitscht den dankbaren Schwermetall-Anhängern entgegen und hält erst dann wieder inne, wenn die ganze Show vorüber ist. Aufgeboten wird, was Spaß macht, gut klingt und sich bereits während des achtjährigen Bestehens von “Black Thunder” oder im Programm anderer etablierter Künstler dieses Fachgebiets schon bewährt hat: Tiefe bis abgrundtiefe Shouts, schöne Melodien und ein nicht von der Hand zu weisendes Gespür für den einen oder anderen einprägsamen Part. Einzig auf die hohen Screams müssen Stirb-Langsam-Fans von The Black Dahlia Murder, Job For A Cowboy und Konsorten dieses Mal verzicht üben.
Gegründet im Jahre 2001, können die fünf Hannoveraner heute auf eine beachtliche Anzahl an Shows zurückblicken, im Zuge derer sie die Bühne mit großen Namen teilen durften: Arkangel, Walls Of Jericho, Lay Down Rotten, um nur einige zu nennen. Dazu gesellen sich In Flames, Carcass, aber auch Iron Maiden und Amon Amarth, welche die Band unter anderen zu ihren Einflüssen zählt. Inwiefern sich die genannten Gruppierungen im Sound von “Black Thunder” wiederfinden lassen, sei vorerst dahingestellt, letzteren zumindest sind sie, wenn es um das Thema Melodien geht, nicht unähnlich.
Die inhaltliche Nähe zu den Mythologie-Metallern von Amon Amarth wird bei einem flüchtigen Blick in das Booklet einmal mehr deutlich. “If Only The Black Birds Fly” oder “Lead The Chariot To The Cliffs”; derartige Titel würden den bärtigen Männern aus Schweden sicher gefallen. Die Texte zeugen von rhetorischen Fähigkeiten und regen zum Nachdenken an. Zwar spricht das Info-Sheet von der Anprangerung sozialer und menschlicher Missstände, doch für deren Deutung erscheint ein gewisses Maß an Interpretationstalent unumgänglich, wenn es schon zu Beginn heißt: “The days when the human race was part of the natural circle of life are over.”
“Not Enough Graves” ist ein netter kleiner Death-Metal-Happen für Zwischendurch, krankt aber an Monotonie und einem immer gleichen Aufbau. Anspieltipps sind der Opener “Dura Mater” und das bereits erwähnte “Lead The Chariot To The Cliffs”.
// 14. August 2009
partyausfall.de: World Gone Mad - Selftitled
“Smokescreens And Lies”, selten erhält ein metallischen Gitarrensolo einen eigenen Titel, doch genau so präsentiert sich der Auftakt für das Debüt der belgischen World Gone Mad. Die fünf jungen Pessimisten werden vielerseits als klassischer Hardcore Punk mit modernen Elementen angekündigt, doch was oftmals als Metal-Schlagseite abgetan werden kann, nimmt auf diesem Silberling nahezu groteske Züge an und verbannt jeden weiteren musikalischen Einfluss auf den zweiten Rang, keine Chance auf Rehabilitation. Nicht selten erinnern mich die dargebotenen Stücke an Hartwurst-Veteranen wie Metallica oder anverwandte Musikanten, vielleicht in einer etwas hardrockigeren Variation, aber Stimme und Vertonung provozieren diesen Vergleich geradezu. Die Wurzeln im Hardcore Punk mag man nicht ganz von der Hand weisen können, doch scheinen sie etwas tiefer unter der Erde zu liegen als es die Gewöhnung vermuten lässt.
Das muss natürlich nichts Schlechtes bedeuten, keinesfalls, World Gone Mad zeichnen sich auf ihrer selbstbetitelten EP sogar durch vollauf respektable Leistungen an ihren Instrumenten aus, es kommt gehörig Groove auf, die Soli sind nett, die Titel wirken wie aus einem Guss; in dieser Hinsicht jedoch zu viel des Guten, die Songs verschwimmen ineinander, der Wiedererkennungswert tendiert gegen null. Die Texte hingegen müssen im Zuge dieser Rezension lobend erwähnt werden. Die negative Atmosphäre, die die Musik versprüht und das minimalistische Cover erahnen lässt, wird durch die Lyrics noch verstärkt: “I am your lord of the flies, Shining in the morning, cracking in the night” (“Rhymes Of The Troubled”), “Tied up in chaos, Trashed by insecurities, Beaten by the fists of time” (“World Gone Mad”), kein Goethe, aber überzeugend vorgetragen und fernab von schnödem Dicke-Hose-Einerlei.
Anspieltipps machen im Fall von “World Gone Mad” wenig Sinn. Die Songs sind allesamt von ähnlicher Qualität und laden deshalb förmlich dazu ein, dieser MCD zumindest für einen Durchlauf das Ohr zu leihen. Im Umfang knapp bemessen, sollte dies auch kein allzu zeitraubendes Unterfangen darstellen.
// 4. August 2009
partyausfall.de: Scalping Screen - Twelve Out Of Chamber
Besteht die Möglichkeit, dass sich Napalm Death und Hatebreed vor rund acht Jahren während eines Festivals über den Weg gelaufen sind, sich ineinander verliebt und zu den Klängen ihrer beider favorisierten Death-Metal-Bands ein Kind gezeugt haben? Diese Frage drängt sich zumindest auf, wenn ein Opener wie “Two Bladed Sword” versucht, dem Rezensenten ohne Vorwarnung den Schädel einzuschlagen. Wenn es tatsächlich eine solche Liaison gegeben hat, wie sie eingangs beschrieben wurde, dann könnte es für den daraus hervorgegangenen unehelichen Bastard keinen besseren Namen geben als Scalping Screen.
Grundsätzlich im Hardcore verankert, zeigt dieser finnische Fünfer sehr anschaulich, wie man die Extreme des Genres auslotet. Das ist Hardcore Punk im Rausch der Geschwindigkeit, keine Pausen, nichts zum Auswendiglernen, nur Arschaufreißen par excellence und das über die gesamte Distanz, Greenways Knüppelbarden aus Birmingham nicht unähnlich, was vor allem der Stimme von Frontschnauze Mika zuzuschreiben ist.
Ein zweischneidiges Schwert, denn während der Aggro-Only-Weg genau das richtige ist, um einen stressigen Arbeitstag vergessen zu machen oder sich zur Abwechslung mal wieder so richtig auszutoben, stellt er andererseits auch die größte Schwäche von “Twelve Out Of Chamber” dar, wenn einem bewusst wird, dass man bereits nach fünf, vielleicht zehn Minuten alles gehört hat; Überraschungen, negativ, ein Ausbrechen aus ihrem Schema, niemals, Scalping Screen preschen weiterhin nach vorn; beinahe eine halbe Stunde bewegt sich die Band also auf ihrem Trampelpfad, der peinlich genau neben der Grenze des Ertragbaren verläuft und mit “Infected” genau dann sein abruptes Ende findet, wenn das Maß den kritischen Füllstand erreicht hat.
Was bleibt, ist der Eindruck, sich die Zeit mit einem grundsoliden Album vertrieben zu haben, das mit seinen Qualitäten sicher für die eine oder andere erneute Rotation sorgen wird; empfehlenswert vor allem für Anhänger derberer Metal-Stile oder Schlimmerem. Anspieltipps sind schwierig auszumachen, aber “Turning Point” und “Fight For Life” hinterlassen einen durchweg positiven Eindruck.
// 30. Juli 2009
partyausfall.de: Half Past Death - Almost Dead
Unheil verkündend stampft er aus den Lautsprechern, ein fieser Moshpart, wie er auch in der Hölle für Eindruck sorgen würde, “for my family” und “for my friends” tönt es teuflisch, wenn “Family” “Almost Dead”, die neue EP der deutschen Half Past Death, eröffnet und der ahnungslose Hardcore-Proband glaubt sich schon im siebenten Beatdown-Himmel. Das Erwachen, wenn auch alles andere als böse, folgt auf dem Fuße, denn über diesen appetitlichen Einstieg hinaus lässt sich die Bollo-Fassade nicht aufrecht erhalten und es wird deutlich, welcher Spielart hier tatsächlich gefrönt wird: Eine knallige Mischung aus Death Metal, Melodie und einer Prise Hardcore; Metalcore muss das Zauberwort sein und das Tanzbein dankt es.
Ein wenig August Burns Red, vielleicht Heaven Shall Burn, die Einflüsse, die man in Anbetracht eines dermaßen überlaufenen Genres herauszuhören glaubt, sind selbstverständlich vielseitig, es lässt sich jedoch durchaus feststellen, dass sich die Kapelle aus Nordrhein-Westfalen hinter keiner dieser vermeintlichen Einflussgrößen verstecken muss. Die Melodien gehen schnell ins Ohr, die Breaks sitzen, alles hat seinen angestammten Platz, keine Ausreißer, weder musikalisch noch textlich. Die mutigen Innovationsritter in strahlender Originalitätsrüstung sind Half Past Death wahrlich nicht, aber diesen Eindruck wollen sie auch keinesfalls erwecken und so obliegt es dem Hörer, überzogene Ansprüche an die thematischen Inhalte der sechs vollwertigen Titel ad acta zu legen und sich ganz der Musik hinzugeben oder angesichts einiger totgerittener Schwerpunkte die Stirn zu runzeln. Die ganz klare Empfehlung heißt in diesem Fall: Darüber hinwegsehen. Zum einen geht die Band viel zu beherzt und technisch versiert ans Werk, als dass sie ignoriert werden sollten und zum anderen soll hier niemandem das Recht abgesprochen werden, Freunden und der Familie Respekt zu zollen oder rechten Tendenzen in der Hardcore-Szene den Kampf anzusagen, ganz im Gegenteil.
Almost Dead ist eine überdurchschnittlich gute EP einer vielversprechenden Truppe. Anspieltipps sind “Family” und der Titeltrack.
// 27. Juli 2009
partyausfall.de: Death Before Dishonor - Better Ways To Die
Death Before Dishonor zeigen sich auf ihrem neusten Output experimentierfreudiger als jemals zuvor; sie gehen viele Kompromisse ein und überraschen ihre Hörer mit einem noch nie dagewesenen Facettenreichtum und, man kann es bereits erahnen, selbstverständlich war das alles komplett gelogen, aber welcher wahre Fan würde seinen fünf Lieblingen so etwas auch abverlangen? Stattdessen gibt es, wie seit nunmehr neun Jahren tourneegeprägter Bandgeschichte, auch anno 2009 auf “Better Ways To Die” feinsten New-School-Hardcore; immer direkt am Gas und mit kurzer Zündschnur (Flucht nach vorn: “Peace And Quiet”).
Fronter Bryan kläfft sich durch elf Songs, die allesamt die Zweieinhalb-Minuten-Grenze im Durchschnitt kaum überschreiten oder gar nicht erst an sie heranreichen. Die Crew in seinem Nacken scheint zu jedem verbalen Einwurf bereit und sich auch für “Woohoo”-Chöre niemals zu schade (mitreißend: “Our Glory Days”); in Boston regiert der Punk, zumindest scheint sich die Gewichtung von Punk- und Tough-Guy-Anteil ein wenig in diese Richtung verlagert zu haben.
Unverändert hingegen bleibt der Genrepool, aus dem des Öfteren geschöpft werden darf. Hin und wieder sorgen gekonnt eingeflochtene Metal-Versatzstücke für Melodie, Abwechslung und natürlich das “Neu” im New-School-Klangbild (Gänsehaut: “Remember”), ohne aber den letzten Schritt zu wagen, den Hatebreed in den Augen Vieler zu weit in Richtung Metal gegangen sind; Metal ja, Metalcore nein.
Unterm Strich gibt es also elf mal Death Before Dishonor, kurz und knackig, wenn auch keine Offenbarung und stellenweise etwas austauschbar, doch vollkommen egal, ob man gereckte Fäuste, kollektive Shout-Outs oder die Moshpit-Vollbedienung will, wer sucht, der findet auch, denn hier wird wirklich jeder Vorliebe entsprochen (von allem etwas: “Black Cloud”).
Weitere Anspieltipps sind unnötig. “Better Ways To Die” ist eine überzeugende Platte, die man sich bedenkenlos im Ganzen geben kann und dabei nicht einmal eine halbe Stunde in Anspruch nimmt. Dabei kann man nur gewinnen.
// 11. Juli 2009
partyausfall.de: Bun Dem Out - The Few The Deep
Im Zusammenhang mit Bun Dem Out vom LBU-Umfeld zu sprechen, wäre vermutlich maßlos untertrieben, geradezu schändlich unterbewertet, denn eine Hardcore-Kapelle, die ihre “Soldados” aus den Reihen von 50 Caliber, Knuckledust und TRC rekrutiert, muss wohl vielmehr als musikalische Quintessenz der London Blackout Unit in Betracht gezogen werden.
Wer sich im Zuge dessen also einbildet, er oder sie könne Rückschlüsse auf das intonierte Feuerwerk ziehen, das Bun Dem Out auf dem aktuellen Release “The Few The Deep” abfackeln, der liegt vermutlich genau richtig: Zweistimmiger Beatdown Hardcore mit einer gesunden Portion Metal und jede Menge Tough-Guy-Attitüde; überraschen wird die Band damit wohl niemanden.
Das Kapitel der Innovationen und Außerordentlichkeiten kann also getrost übersprungen und sich umgehend der Frage angenommen werden, ob diese Mischung knallt, wie ein über die Grenze geschmuggelter China-Böller oder, in bester Tradition heimischer Rohrkrepierer, selbst in der hand verpufft, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen.
Wer die eingangs erwähnten Gruppierungen kennt und schätzt, wird sich von Pierre’s unverwechselbarem Organ augenblicklich in die angemessene Stimmung versetzen lassen, die nur “aggro to the max” heißen kann. Der sparsame Umgang mit Plattitüden gehört mit Sicherheit nicht zu den Dingen, die im Vereinigten Königreich heutzutage die Marschrichtung vorgeben, aber die ganz großen Peinlichkeiten und vertonte Totalausfälle bleiben dem Hörer erspart und so rangelt man mit falschen Freunden und Scenester Wannebes oder ergeht sich in Selbstbeweihräucherung. Auch die Instrumentation geht keinerlei Risiken ein, filigran ist anders, aber das muss sie auch nicht sein; “chugga chugga” hier, ein hämisches Lachen da, der Einstieg gelingt mühelos und ein Zugang ist schnell gefunden.
Das Fazit muss daher kompromissbereit ausfallen: “The Few The Deep” knallt tatsächlich und nicht zu knapp; Angst vor Pulverrückständen muss jedoch niemand haben, denn wirklich viel bleibt auch nach mehreren Durchläufen nicht haften. Anspieltipps sind “Nothing To Loose”, “99 Years” und der Titeltrack.
// 25. Juni 2009
partyausfall.de: Halcyon As Lilith - Breed Of Lilith
Wie viele Rückschlüsse auf die musikalischen Ambi- und Motivationen lässt ein Bandname zu, wenn er der Einfachheit halber mit H.A.L. abgekürzt wird? In erster Linie gar keine. Noch viel weniger hilfreich ist es aber, wenn man weiß, dass H.A.L. Halcyon As Lilith bedeutet.
Wenn man einer ruhmreichen Online-Enzyklopädie glauben schenken darf, so handel es sich bei dem begriff Halcyon um “eine Vogelgattung aus der Familie der Eisvögel”, während Lilith eine Gottheit aus Sumer beschreibt, die an der Erschaffung der Welt nicht ganz unbeteiligt gewesen sein soll; aber böse soll sie gewesen sein, die Gute. Wie das mit der Musik zusammenhängt, die auf der Demo “Breed Of Lilith” geboten wird, weiß vermutlich nur die Vorarlberger Kapelle selbst.
Die Bilanz der Ösi-Metaller lässt sich bereits nach wenigen Rotationen im CD-Player aufstellen; so wird die Soll-Seite von der Band selbst vorgegeben: ein Cocktail aus Death- und Thrash Metal mit progressiven Einflüssen. Die Haben-Seite hält mit hohem Gekreische, düsteren Growls sowie gekonntem Gitarreneinsatz mit einem hohen Maß an Melodie und gelegentlichen Solo-Einlagen dagegen. Eine gelungene Mixtur, die schon beim Opener “Predominance” zündet und das Niveau über die gesamte Dauer der lediglich vier Songs umfassenden Demonstration aufrecht erhalten kann. Ob das auch auf einem Langspieler funktioniert, bleibt abzuwarten, denn die hier vorherrschende Kreisch-Grunz-Solo-Struktur erscheint mir durch Abnutzung gefährdet.
Negativ angemerkt sei an dieser Stelle der Gesang, der in den tieferen Regionen zwar gut klingt, aber oft im Soundgewand unterzugehen droht. Die hohen Schreie sind dahingegen nicht zu überhören, wirken jedoch gewollt hysterisch und teilweise deplatziert.
Halcyon As Lilith kommen fast gänzlich ohne Core-Einlagen aus, eine Rückbesinnung, die zu gefallen weiß, jedoch eine akute Gefahr für die Hals- und Nackenmuskulatur darstellt. Kleine Schwächen sorgen für Abzüge, die die Band zwischen dem sechsten und siebenten Zähler im Wertungssystem schweben lässt; doch nicht zuletzt, um die Band zum Weitermachen zu motivieren, sei in diesem Fall zugunsten des Angeklagten entschieden. Anspieltipps sind “Predominance” und “Last Supper”.
// 19. Juni 2009
partyausfall.de: Nueva Etica - 3L1T3
Es ist alles andere als einfach, sich einer Rezension zuzuwenden, wenn man geplättet und alle Gliedmaßen von sich gestreckt auf dem Boden kauert, kaum noch über den eigenen Wohnzimmerteppich hinausragend, auf dem man so hilflos dahinvegetiert. Wer sich jedoch ganz bewusst einer Vegan-Straight-Edge-Planierraupe in den Weg stellt, die darüber hinaus noch taufrischen Elite-Kraftstoff im Tank hat, der darf sich im Nachhinein auch nicht beschweren, wenn er gnadenlos überrollt wird. Das argentinische Fabrikat Nueva Etica ist in diesem Fall kein unbeschriebenes Blatt. So wurden zweifelsohne schon unzählige Konzertbühnen und privates Mobiliar dem Erdboden gleichgemacht, denn die “Southamerican Moshmachine” dreht bereits seit über zehn Jahren unaufhaltsam ihre Runden und scheint mit jedem Boxenstopp weiteren Eindruck zu hinterlassen.
Der metallische Hardcore mit leichtem New York-Einschlag, den Scott Vogel mit seinem Beitrag zu “Nunca Seran” doppelt zu unterstreichen weiß, ist rauh, temporeich, bietet satten Groove und natürlich genügend Möglichkeiten, sich mal wieder so richtig auszutoben. Vor allem aber weiß das Shouting zu begeistern, für welches sich gar mehrere Sänger verantwortlich zeigen; ein ständiges Wechselspiel, das dem Spektakel ein wenig die Eintönigkeit nimmt. Diese stellt nämlich die hauptsächliche Schwäche dar, die dem Album anzulasten wäre.
Stellt sich nur noch die Frage, ob auch Maschinen von Sodbrennen heimgesucht werden können, denn eine solche Menge Wut im Bauch muss früher oder später gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Solange das Intro der neuen “3l1t3” gemäßigt vor sich hin tönt, sollte man also entweder schleunigst die Flucht ergreifen oder die “Blood in, blood out”-Ansage verdammt ernst nehmen, denn die anschließend folgenden fünfundzwanzig Minuten bieten erst dann wieder eine Möglichkeit zum Verschnaufen, wenn sie vorüber sind. Doch bevor es dazu kommt, rotzen Nueva Etica ihrer unvorbereiteten Hörerschaft puren spanischen Hass mitten ins Gesicht; Hass, so authentisch und überzeugend, dass diese die Fleischtheke im Supermarkt fortan großzügig umgehen werden, sich vor der Rache ängstigend, die sie während eines weiteren Hördurchgangs ereilen könnte. Anspieltipps sind “Nunca Seran” und der Titeltrack.
// 15. Juni 2009
partyausfall.de: Reconcile - What Tomorrow Will Never Bring
Argentinien, unendliche Weiten, fußballverrückt, Geburtsort des Tangos, Heimat für unzählige Rinder und energiegeladenen Straight-Edge-Hardcore.
Was, ihr glaubt mir nicht? Ich habe fünf kleine Freunde, die allesamt gegenteiliger Meinung sind. Ihre Namen lassen sich der Tracklist des mir vorliegenden aktuellen Mini-Albums der in Buenos Aires beheimateten Reconcile entnehmen. In ihrer Heimat bereits 2007 als “What Tomorrow Will Never Bring” aus der Taufe gehoben, macht diese EP keinen Hehl um ihre Einflüsse und Adressaten. Der schnelle, sich oft überschlagende Gesang spricht eine eindeutige Old-School-Sprache, klassisch, aber nicht altbacken und auch wenn die Geschwindigkeit von “The Test Of Time” im weiteren Verlauf nicht noch einmal erreicht wird, so wird zumindest der von diesem ersten Titel eingeschlagene Weg grundsätzlich beibehalten: Intensiv, ohne anstrengend zu werden, wütend, aber niemals negativ.
Die Straight-Edge-Szene gehört bekanntermaßen zu den weniger ergiebigen Motiven, was musikalische und textliche Abwechslung oder Vielfalt angeht. Reconcile are “living each day”, “never going back” and “there’s nothing you can say”. Nichts, das nicht schon im Laufe der 1980er Jahre gesagt, wenig, das in der Vergangenheit nicht bereits ausprobiert worden wäre, doch das kann ihnen schwerlich angekreidet werden. Viel wichtiger hingegen ist, dass die Texte glaubwürdig und überzeugend präsentiert werden, woran ich in diesem Falle keinerlei Zweifel habe.
Kaum mehr als acht Minuten vergehen nach dem Einlegen der CD, und “No More Pain” gibt den Startschuss für ein überzeugendes Finale. Sehr bewegt und beinahe poppig überrascht das Schlusslicht mit tollen Gitarrenläufen und einem einprägsamen Refrain. “Your emotions are nothing but politics, so get control” heißt es, wenn mit Alkohol-, Drogenkonsum und Plattitüden abgerechnet wird.
Kurzum: “What Tomorrow Will Never Bring” klingt nach schweißtreibenden Pits, nach ausgestreckten Zeigefingern und jeder Menge Stagedives; gute Gründe, die bei der nächsten Urlaubsplanung berücksichtigt werden sollten. Anspieltipps sind “The Test Of Time” und “No More Pain”.
// 15. Juni 2009
partyausfall.de: Last Mile - Selftitled
Mit “The Heavyweight” steht uns bereits die dritte Veröffentlichung der selbsternannten Schwergewichte von Last Mile ins Haus. Grund genug, sich das bereits im Jahr 2008 auf den Markt geworfene Debütalbum der Dänen etwas genauer anzusehen, besser anzuhören; doch zunächst lässt man sich eher zum Name dropping hinreißen: Bestehend aus As We Fight-, Stomped-, Barcode-Mitgliedern und Jacob “ehemals Hatesphere” Bredahl am Mikrofon sowie Tue Madsen hinter den Schiebereglern, lassen Last Mile bereits vor dem ersten Durchlauf eine geringfügige Ahnung zu, welches intonierte Brett der zukünftige Hörer von dem selbstbetitelten Langspieler zu erwarten haben dürfte.
Schnell gespielter Hardcore mit Thrash-Anleihen und der nötigen Prise Punk obendrauf. Das ist keine alte Schule; doch egal, ob alt oder neu, ihre Hausaufgaben hat die Truppe auf jeden Fall gemacht: Heiseres Geschrei und kraftvolle Backing Vocals gehören ebenso zum Programm, wie die obligatorischen Moshparts, die enorm wuchtig daherkommen und zum Abbau der angestauten Aggressionen geradezu einladen.
Ein fieses, nicht minder leckeres Süppchen, dem es jedoch an Würze fehlt, die dem Gericht eine gewisse Langzeitwirkung verleihen könnte; und so schlürft man genüsslich vor sich hin, bis der Teller nach nur knappen fünfundzwanzig Minuten leer gegessen, aber rein gar nichts hängengeblieben ist, von der kompromisslosen Härte einmal abgesehen.
Man muss der Band das Können und Potential, das zweifellos in diesem Projekt verborgen ist, neidlos zugestehen. Das Debüt und seine fünfzehn Titel funktionieren. Sie entfalten ihre Wirkung, solange sie andauern, aber keine Sekunde länger. Sie bescheren somit jedem ambitionierten New-School- und Metalcore-Fan eine unterhaltsame halbe Stunde und schüren die Neugier auf das, was ihnen der Nachfolger wohl auftischen könnte. Kann dieser dann mit etwas mehr Eigenständigkeit oder sogar ohrwurmverdächtigen Momenten aufwarten, so sollte eine weitaus höhere Wertung möglich sein, als ich in diesem Augenblick für sinnvoll halte. Bis dahin verbleibe ich mit einer eingeschränkten Empfehlung an alle genreaffinen Musikliebhaber, die noch etwas Platz im Plattenschrank haben. Anspieltipps sind “Past And Present”, “Pull Through” und “Talk Is Cheap And So Are You”.
// 11. Juni 2009
partyausfall.de: In Blood We Trust - On Thin Ice
Jede Subkultur hat, in Abhängigkeit der vorherrschenden Generation, ihre drei oder vier Schlagworte, die vor Freude strahlende Gesichter auf der einen, gerümpfte Nasen und in Falten gelegte Stirnen auf der anderen Seite geradezu heraufbeschwören. Man wage nur den Versuch mit den folgenden Begriffen: Ruhrpott, Beatdown, Ruhrpott-Beatdown. In meinem Kopf vermengt sich kollektives Säufzen mit dem Geräusch von Jogginghosen, die über vor Erwartung zitternde Waden gestreift werden; was jedoch an anderer Stelle zu beweisen wäre, denn um das Für und Wider eines ganzen Genres soll es jetzt nicht gehen. Stattdessen möchte ich einige Worte über die fünf Kohle-Kumpel von In Blood We Trust und “On Thin Ice”, ihren aktuellen Silberling verlieren, der sich wider Erwarten einer eindeutigen Kategorisierung entzieht.
Hat die CD erst einmal angefangen, ihre Runden zu drehen und der Hörer die zwei, ganz recht, zwei Intros sowie den “Aces High” betitelten Erstling überstanden, der noch in gewohnter Beatdown-Manier aus den Lautsprechern mosht, so dröhnen “Deeper Than Blood” und “S.F.P.” anschließend überraschend Old-School-lastig. Die Mosh-Anteile treten in den Hintergrund und sind lediglich das Tüpfelchen auf dem I, das von schnellen Shouts, enthusiastischem Gruppengeschrei und viel, viel Tanz dominiert wird.
In Blood We Trust zeigen sich in der Lage, dieses Niveau für die verbleibende Dauer des Albums aufrechtzuerhalten und schaffen darüber hinaus noch Platz für Reduction-Stimme Samis, der einige Zeilen zu “Get Lost” beisteuert. Was auf “On Thin Ice” zelebriert wird klingt gut, nutzt sich jedoch zügig ab und zehrt leider am Wiedererkennungswert der einzelnen Songs, die, wenn man sie voneinander losgelöst hört, Spaß machen, in der Masse von acht “vollwertigen” Titeln aber oft verschwimmen.
Möchte man zu einer Schlussfolgerung finden und an die anfänglichen Überlegungen anknüpfen, so lässt sich zusammenfassend festhalten, dass “On Thin Ice” seine Fans mit Sicherheit nicht erst finden muss. Meine Empfehlung richtet sich aus diesem Grund an all diejenigen, die bislang die Stirn gerunzelt haben: Schenkt diesem Album euer Gehör und die Möglichkeit, euch von seinen Vorzügen zu überzeugen. Anspieltipps sind “Deeper Than Blood”, “Strong City” und der Titeltrack.
// 9. Juni 2009
partyausfall.de: Vanna - A New Hope
“A New Hope”, eine neue Hoffnung erreicht uns aus den Vereinigten Staaten, der hiesigen Hybridcore-Fraktion frischen Aufwind zu geben; berechtigter Höhenflug oder grenzenlose Selbstüberschätzung?
Hardcore, Metal, Screamo, die Einflüsse der fünf Bostoner von Vanna sind ebenso offensichtlich, wie wenig innovativ. Metalcore, der mit emoesken Gesangseinlagen nicht nur gespickt, sondern vielmehr von ihnen dominiert wird und in scheinbar paradoxer Beziehung zu einem übergroßen kreisrunden Aufkleber steht, der das Jewel Case ziert und den geneigten Hörer zum Anlegen seines mosh-kompatiblen Schuhwerks motivieren will.
Dass das zwölffache musikalische Aufgebot dann doch nicht ganz so widersprüchlich daherkommt, beweist bereits der Opener “Let’s Have An Earthquake”, der die grundsätzliche Marschrichtung mit wütendem Geschrei, starken Breakdowns und gelegentlichen Crew Shouts vorgibt. Erst “Into Hell’s Mouth We March” integriert den typischen klaren Gesang in das klangliche Repertoire. Er fügt sich ausgesprochen gut in das Gesamtbild, sorgt für einen schnellen Zugang zu der Musik und den ein oder anderen Ohrwurm.
Textlich gehen die jungen Recken weit weniger “brutal” zu Werke, als es das Soundgewand im ersten Moment vermuten lässt. Liebe, Leid und, wie könnte es anders sein, die Hoffnung stellen die zentralen Inhalte dar, wobei positiv angemerkt werden sollte, dass der christliche Hintergrund einiger Bandmitglieder angenehm unberücksichtigt bleibt, die Texte also keinen propagierenden oder belehrenden Charakter haben.
Nach “Curses” geht die Band ihren Weg unbeirrt weiter, präsentiert sich melodischer und zugleich härter als in der Vergangenheit. Von der Chaos-Kante, die ihr früher noch von vielen Seiten attestiert wurde, hat sie sich Anno 2009 noch weiter entfernt und das klingt auch gut so.
Die Frage, ob Vanna die neue Hoffnung im Metalcore-Genre sind, lässt sich ohnehin nicht eindeutig beantworten; festhalten lässt sich jedoch: Vanna kredenzen uns ein kurzweiliges Album, das schnell ins Ohr sowie in die Gliedmaßen geht und darüber hinaus eine beachtliche Hitdichte vorweisen kann. Wer den Zutaten solcher Stil-Mixe etwas abgewinnen kann, dem sei “A New Hope” wärmstens ans Herz gelegt. Ihren Epitaph-Kollegen stehen Vanna jedenfalls in nichts nach. Anspieltipps sind “Into Hell’s Mouth We March” und “Like Changing Seasons”.
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